Das Rätsel der Seepferdchen

An der deutschen Nordseeküste werden immer wieder Seepferdchen entdeckt. Das stellt Fachleute vor Rätsel. Könnten die Tiere sich dort angesiedelt haben?

Als die Ersten entdeckt wurden, staunten die Fachleute: Seepferdchen! Und das an der deutschen Nordseeküste! Dort kommen diese Tiere eigentlich schon lange nicht mehr vor. Schnell war klar: Sie müssen angespült worden sein, etwa durch einen Sturm und heftige Strömung. Soweit so gut.

Solche Seepferdchen wurden in letzter Zeit häufiger an der Nordseeküste entdeckt. Foto: Peter Kuchenbuch-Hanken/dpa

Doch seit etwa vier Jahren werden immer mehr Seepferdchen entdeckt. Im Winter, wenn die Stürme toben, aber genauso im Sommer, wenn das Meer eher ruhig ist. Es sind auch nicht nur Babys und Jungtiere, die an den Strand gespült werden. Fischer finden auch immer mehr ausgewachsene Seepferdchen. Daher staunen die Forschenden mittlerweile nicht mehr bloß, sondern wollen wissen: Könnten sich an der deutschen Küste nach fast 100 Jahren womöglich wieder Seepferdchen angesiedelt haben?

Aus dem Ärmelkanal in einen neuen Lebensraum

„Woher die gefundenen Tiere ursprünglich stammen, wissen wir relativ gut. Sie stammen aus dem englischen Kanal“, sagt der Forscher Hermann Neumann. Man sagt auch Ärmelkanal dazu, damit ist die Meerenge zwischen dem europäischen Festland und der Insel Großbritannien gemeint. «Dort scheint es den Tieren ganz gutzugehen», erklärt der Experte. Es könnte sein, dass einige Tiere sozusagen ausgewandert
sind, in einen neuen Lebensraum.

Bei einem Strandspaziergang lohnt es sich, aufmerksam zu sein. Vielleicht entdeckt man ein Seepferdchen. Foto: Sina Schuldt/dpa

„Die spannende Frage ist, ob die Tiere auch hier bleiben, sich ansiedeln und vermehren“, sagt Hermann Neumann. Das würde die Fachleute vor ein weiteres Rätsel stellen. Seepferdchen sind keine guten Schwimmer, sie müssen sich mit ihrem Schwanz irgendwo festkrallen. Normalerweise machen sie das an Pflanzen, so wie zum Beispiel dem Seegras. Doch vor den deutschen Küsten wachsen nur noch wenige Seegraswiesen. Manche Fachleute vermuten deshalb, dass die Tiere woanders einen Platz gefunden haben, etwa im Beerentang. Das ist eine aus Asien eingeschleppte Algen-Art. Seit einigen Jahren breitet sie sich stärker in der Nordsee aus.

Künstliche Riffe

Eine anderer möglicher Ort sind die Windparks in der Nordsee. Die großen Pfähle der Windräder werden im Meeresboden verankert und zur Sicherheit mit Steinen ummantelt. „Auf diese Weise entstehen künstliche Riffe. Dort könnten sich Seepferdchen theoretisch auch ansiedeln“, erklärt der Fachmann. Außerdem darf in dem Gebiet nicht gefischt werden.

Um mehr über die Tiere herauszufinden, brauchen die Forschenden Unterstützung. Wenn man am Strand ein Seepferdchen entdeckt, kann man es fotografieren und das Bild auf einer Internetseite hochladen. So wollen die Fachleute dem Rätsel über die Seepferdchen auf die Spur kommen.

Von Stefanie Paul (dpa)